Lebensbejahender Skeptizismus

Deutschlandradio gestern Nachmittag, Thema: Michael de Montaigne:

Der Autor dieser Kommentare war wirksam in einer Zeit, die durch Hexenverbrennungen und ähnliche Glanzleistungen zu recht zweifelhaftem Ruhm gekommen ist.

“…eine Gesellschaft, der Plato den Rücken gekehrt hätte, sie besitze kaum noch einen humanen Wert. Schlimmer noch, ihr sei der Sinn für das Gute, die Weisheit, abhanden gekommen.

Das deutlicheste Kennzeichen der Weisheit ist ein stetes Vergnügtsein. Ihr Zustand gleicht den Dingen unterm Monde, heiter immerdar. Es ist das geheimnistuerische Abrakadabra, dass ihre Nachbeter so rauch- und russgeschw�rzt dastehen l�sst, nicht sie selbst; sie kennen sie ja nur vom H�rensagen. In Wirklichkeit macht sich die Weisheit ans Werk, die St�rme der Seele zu bes�nftigen und den Hunger wie das Fieber Lachen zu lehren. Nicht durch haltlose Spekulationen �ber planetarische Haupt- und Nebenkreise sondern durch naheliegende, handgreifliche Vernunftgr�nde.

Ihr Ziel ist die Tugend, die keineswegs – wie die Schulmeister behaupten – auf der Spitze eines steilen, zerkl�fteten und unzug�nglichen Berges throhnt.
Nein, der Lebensort der Weisheit ist die gew�hnliche M�hsal der Welt, die mit praktischer Vernunft bew�ltigt sein will.

Jeder Bewusstseinszustand des Indiviuums, jede Erkenntnis ist so ungewiss und undurchsichtig wie das Leben selbst; nicht planbar, schwankend, voller Ungereimtheiten und Widerspr�che. Dagegen kann im Extremfall nichteinmal das Heilkraut “Weisheit” etwas ausrichten.

Einer mag so weise sein wie er will, schliessendlich bleibt er doch ein Mensch. Was aber gibt es hinf�lligeres, erb�rmlicheres und nichtigeres?
Keine Weisheit reisst uns aus unserem naturgegebenen ausgesetzt-sein zur�ck.”

— oder weniger Lebensbejahend:

Wer sich selbst als Monster und Mirakel gesehen hat, der ist auch in der Lage, mit den Widrigkeiten des Lebens fertig zu werden.
Lachend will Montaigne die Wahrheit sagen, und schmecke diese Medizin noch so bitter.

Die Welt ist nichts als eine Schule der Erkenntnissuche. Und wo verm�chte man mehr zu lernen �ber sich selbst oder die Wirklichkeit, als in der Erfahrung der Liebe und des Todes, die recht besehen einander doch so nahe sind.

Jeder l�uft weg wenn der Mensch geboren wird, jeder l�uft herbei wenn er stirbt. Um ihn fertigzumachen w�hlt man ein weites Schlachtfeld im hellen Tageslicht; um ihn anzufertigen verkriecht man sich in den engsten und dunkelsten Winkel.
Die Pflicht gebietet, ihn heimlich zu erschaffen und hierbei zu err�ten – Ruhm aber bringt es einem ihn hinwegzuraffen und zu t�ten, und eine ganze Reihe von Tugenden folgt dem nach.

Der Tod ist eine – wenn nicht die – Bedingung des Lebens. So wie wir auf uns selber h�ren sollen um alles zu erfahren was wie brauchen, sollen wir auch lernen zu sterben, um leben zu k�nnen.

Die Bitterkeit der menschlichen Todesvorstellungen, die Angst vor dem Unheimlichen des Endes ist bloss das Werk unserer Ungeduld.
Was aber dem Philosophieren aufhilft, die Lust und die Kraft der Selbstreflexion, das vermag auch �ber die Endlichkeit hinwegzutr�sten.

Das Vorbedenken des Todes ist Vorbedenken der Freiheit. Wer sterben gelernt hat, hat das Dienen verlernt. Sterben zu wissen entl�sst uns aus jedem Joch und Zwang. Das Leben hat keine �bel mehr f�r den, der recht begriffen hat, dass der Verlust des Lebens kein �bel ist.

Ich w�nschte, ich k�nnte meine Gedanken so klar und gradlinig auf Papier bringen… *seufz*